Ich bin vor ein paar Jahren nachts mit der Ubahn nach Hause gefahren. Es war noch nicht wahnsinnig spät, immer noch viele Leute unterwegs. Ich sitz da also in der Station Westbahnhof und hör Musik, da setzt sich ein junger Mann neben mich. Zuerst seh ich nur aus dem Augenwinkel, dass er den Kopf dauernd zu mir dreht und mich anstarrt. Dann bemerk ich, dass er den Mund bewegt und ich schalte die Musik aus. Vielleicht will er ja nach dem Weg fragen? Nein, will er nicht. Aber ich hab keine Ahnung, was er mir mitteilen will, weil er nur Wortfetzen deutsch spricht. Woher ich komme? Wohin ich gehe? Unverständliches Geplapper. “Kann ich… haben…” Ich weiß immer noch nicht, wie ich ihm helfen kann. Will er Geld? Nochmal: “Kann ich haben?” Und dabei spitzt er die Lippen und macht Kuss-Geräusche. Darauf antworte ich nicht mal, steh auf und zum Glück fährt da schon der Zug ein. Ich geh zügig zum übernächsten Waggon, setz mich an ein Ende, mitten unter einen Haufen andere Menschen, aber da ist doch noch ein Platz neben mir frei und er rennt mir nach und setzt sich wieder neben mich. Okay. Ich muss ja nur ein paar Stationen fahren und er spricht mich auch gar nicht mehr an. Das passt schon. Aber irgendwie sitzt er doch sehr nah… Sofort schießen mir sämtliche Schläge, Tritte und Kampfstrategien, die ich je in meinem Kampfsportunterricht gelernt habe durch den Kopf. Szenarien, in denen mich der Typ bis vor die Haustür verfolgt, spielen sich ab. Was mach ich dann? Waswaswasdann? Da fängt er an, seinen Oberschenkel an meinem zu reiben. Es wird wohl nicht länger als ein paar Sekunden gedauert haben, ich hatte das Gefühl, er mache das schon ewig. Und während durch mein Hirn gerade erst der Gedanke schießt “STEH AUF UND GEH!”, ist da auf einmal seine Hand auf meinem Bein und will zur Innenseite fahren. Wie vom Blitz gerührt schlag ich sie weg, springe auf, sage NEIN. Und das wohl ziemlich laut, weil mich jetzt auf einmal alle anstarren. Er schaut mich mit großen Augen an. “Warum?” “Weil ich das nicht will!” Und im selben Moment, frag ich mich, warum ich ihm überhaupt antworte. “Aber… ich liebe…” Und ich kann ihm nur anstarren. Will der mich verarschen? Schon bei der Zieglergasse wechsel ich den Waggon, eine Station später steigt auch er wieder ein. Unsere Blicke treffen sich kurz und dann dreht er sich um und geht zur anderen Seite. Zumindest das gab mir ein bisschen Genugtuung, auch wenn ich die restlichen 30 Minuten die ich nach Hause gebraucht habe, mit den Nerven fertig war und wütend war. So WÜTEND. Ich halte mich nicht für eine unsichere Person. Die Situation hatte mich etwas überrumpelt, aber ich habe ihm Grenzen aufgezeigt. Ich bin nicht verletzt worden. Aber ich hatte noch eine Woche später das Gefühl “Opfer” oder “leichte Beute” auf der Stirn tättowiert zu haben. Und obwohl das schon mehr als ein Jahr her ist, frage ich mich immer noch wie viele Frauen er wohl noch angequatscht hat. Vor mir, nach mir. und ob eine vielleicht Schlimmeres erleben musste.