Im Alltag kleide ich mich eher leger und unscheinbar – in der Regel Jeans, Minimizer-BHs und weite Männershirts – und gehe im Allgemeinen ganz gut als “einer der Jungs” durch. Nun ist es jedoch so, dass ich seit meiner Teenager-Zeit aktive Szenegängerin bin und mich auch dementsprechend Kleide, wenn ein Event oder eine Party ansteht. Innerhalb der Szene selbst löst das selten ungewollte Reaktionen aus, doch auf dem Weg dorthin wird es oft schmerzhaft offensichtlich, wie stark sich das Verhalten der Menschen verändert, wenn es die eigene Kleidung tut. Hier ein Beispiel: Als ich um die 18 Jahre alt war, fuhr ich mit der Bahn von einem Konzert nach Hause. Ich trug die übliche Kluft: Schwarzer Rock, schwarze Bluse, schwarzes Korsett und Make-up. Nichts extravagantes, nur betont “weiblicher” als sonst. Da das ganze nicht mein erstes Rodeo war und Menschen, die an Wochenenden nach Mitternacht in den öffentlichen Verkehrsmitteln herumhängen generell ein paar Leute unter ihnen haben, die nicht so gut auf “anders” aussehende Fahrgäste zu sprechend sind, hatte ich von vorn herein ein Ticket für die erste Klasse gelöst, die um diese Zeit relativ leer ist. So auch in dieser Nacht, denn neben mir waren die einzigen Gäste in dem Waggon eine kleine Gruppe älterer Männer, die von einem Fußballspiel heimkehrten und noch ein letztes Bierchen im Zug tranken, bevor es wieder zurück zu Frau und Kindern ging – soviel konnte ich zumindest ihren Gesprächen entnehmen. Sie alle waren etwa im selben Alter oder etwas älter als mein Vater, wirkten sehr konservativ und bürgerlich und nicht allzu betrunken, also für mich keineswegs bedrohlich. Einfach ein paar Freunde, die einen Ausflug unternommen hatten. Nachdem meine übliche Paranoia also besänftigt war, steckte ich mir Kopfhörer in die Ohren und hörte leise Musik. Alles schien in Ordnung, bis einer der Männer an mir vorbei zur Toilette ging. Auf seinem Rückweg blieb er bei mir stehen und begann ein Gespräch. Für mich schien erst alles ganz normal – der Typ sah meinem Vater recht ähnlich und sprach auch erst nicht viel anders. Einfach freundliches Geplänkel. Bis er dann anfing, mir auf die – ohnehin recht großen und durch das Korsett gepushten – Brüste zu starren. Als ich wohl etwas zu offensichtlich den Kragen meiner Bluse zuzog, begann er, anzügliche Kommentare zu machen, die schnell ausfällig wurden. Kurz darauf kamen auch die anderen drei Männer herüber und bedrängten mich – erst nur verbal, doch als ich versuchte, aufzustehen und das Abteil zu verlassen, verstellten sie mir den Weg.Einer griff mir an die Brust. Während des gesamten Vorfalls lachten und scherzten sie untereinander. Als ich endlich zwischen ihnen hindurchschlüpfen und den Waggon verlassen konnte, hörte ich sie lachen und mir hinterher rufen. Ich lief danach so lange durch den Zug, bis ich jemanden vom Personal fand, in dessen Nähe ich dann blieb. Auf meine Ausführungen hin zuckte der Kontrolleur nur mit den Schultern und meinte, da könne man eben nichts machen. Seit diesem Vorfall fahre ich mit dem Auto, wenn ich “aufreizend” gekleidet bin. Ich ärgere mich darüber, dass ich das Gefühl habe, sowas wäre nötig.