Linda

Vor einigen Jahren musst ich im Rahmen meines Studiums ein Laborpraktikum in Mikrobiologie machen. Wir waren 5 Tage am Stück nur im Labor und hatten zwei Betreuuer, die uns bei den Versuchen überwachten und als Ansprechpartner dienten. Einer der beiden war mir und meiner Freundin, die in meiner Gruppe war, sehr suspekt. Er schlich immer bei unserem Gruppentisch herum, anstatt auch mal die anderen Gruppen zu beobachten, und kam immer ein wenig zu nah an einen heran.
Immer, wenn jemand einen Fehler machte, bekam seine Gruppe einen Kuchenstrich, der auf einer seperaten Tafel vermerkt war. Die Gruppe mit den meisten Kuchentrichen musste zur Abschlusssitzung Kuchen für alle mitbringen.
Da der Betreuuer nur bei uns rumschlich, hatten wir ziemlich bald viele Kuchenstriche, obwohl wir nicht unbedingt mehr Fehler machten als alle anderen.
Außerdem kommentierte er immer das Aussehen von mir und meiner Freundin. So machte er mir dauernd Komplimente wegen meiner Augen usw. Ich fande das total unangebracht und reagierte wahrscheinlich total typisch: ich versuchte, mich besonders unattraktiv zu machen.
Er nutzte wirklich jede Gelegenheit, sich an uns ranzumachen. Als ich einen Fehler beim Ausgießen der Bakteriennährböden machte (zumindest behauptete er einen Fehler entdeckt zu haben), musste ich alleine mit ihm länger im Labor bleiben, um die Platten neu zu gießen. Zwei Tage später erzählte er mir allerdings, das die “falsch” gegossenen Platten doch nicht kontaminiert seien. Als wir einmal mit Leuchtbakterien arbeiteten, mussten wir in einer extra abgedunkelten Kammer Proben von einem Fisch nehmen (im Dunkeln versteht sich). Er ist extra mit uns in die Kammer gekommen, obwohl alle anderen Gruppen ihre Abstriche alleine machen durfen. Dabei ist er mir so nahe gekommen, dass ich ihm mit meinem Glasstab, den ich zum entnehmen der Probe benutzt habe, fast das Auge ausgestochen habe.
Und schließlich der Höhepunkt: Mein Freund und ich hatten einen kleinen Unfall mit dem Kondom gehabt und ich musste zur Frauenärztin, um die Pille danach zu besorgen. Leider durfte man während des Prakitkums nicht fehlen und es begann immer schon um 9h früh. Ich ging zum Betreuer, um ihm zu sagen, dass ich am nächsten Tag wahrscheinlich eine halbe Stunde später kommen würde, weil ich dringend zum Arzt müsste. Er bohrte so lange nach, bis ich gestand, zum Frauenarzt gehen zu müssen. Danach ließ er immer noch nicht locker und wollte alles genau wissen, aber ich war klug genug den Mund zu halten. Ging ihn ja auch nichts an.
Daraufhin drehte er sich zum anderen Betreuer hin und fragte ziemlich laut: “Hey, brauchen wir noch einen Vaginalabstrich? Wir könnten eine Kultur anlegen, Linda ist morgen beim Frauenarzt und kann uns einen besorgen.” Ich habe mich unglaublich geschämt!
Ich war sehr froh, als das Praktikum vorbei war und ich den Typen nicht mehr sehen musste. Zur Abgabe meines Berichts und zum Nachgespräch habe ich dann meinen Freund mitgenommen – sicher ist sicher.